29.07.2022 | KurzMeldungen, KurzMeldungen Nordost, KurzMeldungen Westfalen-Mitte

Als Selbständiger rentenversicherungspflichtig – auch den Handelsvertreter kann es treffen

Bereits seit mehr als 20 Jahren sind selbständig Tätige in der Rentenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie gleichzeitig zwei gesetzlich vorgegebene Kriterien erfüllen

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Und um Verwechslungen gleich von vornherein auszuschließen - bei diesem Thema geht es nicht um eine sogenannte Scheinselbstständigkeit, bei der ein vermeintlich Selbständiger als Angestellter anzusehen ist.

Denn Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, sind als Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig als sogenannte Selbständige mit einem Auftraggeber.

Dabei handelt es sich um eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes, die unmittelbar mit dem Vorliegen dieser beiden Kriterien eintritt. Es bedarf also keiner Prüfung eines Rentenversicherungsträgers oder eines Antrages des Selbständigen. So kann der eine oder andere Handelsvertreter durch bestimmte Umstände diesen Kriterien unterfallen und sich auf einmal hohen Beitragsnachforderungen der Rentenversicherung ausgesetzt sehen.

Keinen versicherungspflichtigen Beschäftigten

Als erstes Kriterium der Versicherungspflicht darf der Unternehmer keinen versicherungspflichtigen, d.h. mehr als geringfügig - Beschäftigten haben. Die mehr als geringfügige Beschäftigung des Ehepartners kann die eintretende Versicherungspflicht somit von vorneherein ausschließen. Auch Auszubildende werden für das Nichtvorliegen dieses Kriteriums berücksichtigt. Im Hinblick auf den Ausschluss der Versicherungspflicht wegen der Beschäftigung von Arbeitnehmern kommt es auch nicht darauf an, ob ein einzelner Arbeitnehmer mit seinem Verdienst die monatliche Verdienstgrenze für geringfügig Beschäftigte schon alleine überschreitet, sondern auch die Beschäftigung mehrerer, deren Verdienste alleine zwar nicht die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten, jedoch zusammen ein darüber liegendes Einkommen ergeben, steht dem Eintritt der Rentenversicherungspflicht entgegen.

Unschädlich ist es, wenn der Selbständige kurzfristig keinen Arbeitnehmer beschäftigt (z. B. nach Kündigung des Arbeitnehmers). Der Selbständige muss für diesen Fall allerdings belegen können, dass er sich permanent um eine versicherungspflichtige Neueinstellung gekümmert hat. Sollte die Suche nach einem geeigneten Arbeitnehmer jedoch mehrere Monate andauern, sollte der Selbständige die anhaltende Suche nach einem Beschäftigten in geeigneter Art und Weise dokumentieren (z. B. Stellenanzeigen etc.).

Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze

Ab dem 1. Oktober 2022 wird die Entgeltgrenze für eine geringfügige Beschäftigung bzw. Minijob von einem Monatsverdienst von 450 € auf 520 € erhöht. Eine Übergangsregelung wurde nicht geschaffen, sodass die Selbständigen die mehrere geringfügige Arbeitnehmer/-innen beschäftigen und so den Eintritt der eigenen Versicherungspflicht vermeiden, die Entgelte auf mehr als 520 EUR im Monat ab diesem Zeitpunkt anheben müssen.

Überwiegende Tätigkeit für einen Auftraggeber

Die Rentenversicherungsträger sehen das zweite Kriterium als erfüllt an, wenn der Selbständige mindestens 5/6 seiner Gesamteinnahmen über einen Jahreszeitraum hinweg nur von einem Auftraggeber bezieht. Dieses Kriterium kann damit auch ein Handelsvertreter erfüllen, wenn er mehrere Unternehmen gleichzeitig vertritt. Sollten nämlich die Einkünfte aus einer Vertretung 5/6 der gesamten Provisionseinnahmen des Handelsvertreters ausmachen, spielt es keine Rolle mehr wie viele weitere Unternehmer der Handelsvertreter darüber hinaus noch im Rahmen seiner Vertriebsaktivitäten vertritt.

Vertreibt die Handelsvermittlung ebenfalls Waren auf eigene Rechnung, können diese Einkünfte aus Eigengeschäften ebenfalls herangezogen werden, um die überwiegende Tätigkeit für ein vertretenes Unternehmen zu entkräften. Zusammen mit den Provisionseinnahmen aus weiteren Vertretungen können diese auf die mehr als 1/6 Einnahmen von anderen Auftraggebern angerechnet werden, die eine Versicherungspflicht entfallen lassen. Gleiches gilt, wenn der Selbständige noch weitere andersartige selbständige Tätigkeiten ausübt - z.B. Schulungen und Beratungsleistungen, die er den Kunden in Rechnung stellt. Für die Beurteilung des Kriteriums der Tätigkeit „im Wesentlichen“ für einen Auftraggeber stellt die Rentenversicherung nämlich nach geänderter Rechtsauffassung nunmehr auf alle selbständige Tätigkeiten ab. Für die 5/6 Prüfung sind damit sämtliche Betriebseinnahmen aus allen Tätigkeiten zu addieren und zueinander ins Verhältnis zu setzen.

Die problematischen Unternehmerphasen

Die Situation, dass der Handelsvertreter im Wesentlichen nur für einen vertretenden Unternehmer tätig ist und gleichzeitig auch keinen mehr als geringfügig Beschäftigten angestellt hat, kann auf den Handelsvertreter in unterschiedlichen Phasen seiner Vertriebstätigkeit zutreffen. Häufig unbemerkt trifft den Vertriebsunternehmer diese Rentenversicherungspflicht während der Existenzgründungs- und Konsolidierungsphase, die sich durchaus über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken kann. Denn erfüllt der Existenzgründer die beiden oben genannten Kriterien, ist er als Selbständiger rentenversicherungspflichtig und das vom ersten Tage seiner Selbständigkeit an.

Eine andere Gruppe der Betroffenen sind die berufserfahrenen Handelsvertreter, die sich in einer Art Vorruhestandsphase ihrer Tätigkeit befinden. So kann es auch den bereits seit vielen Jahren tätigen Handelsvertreter treffen, der zum Ende seiner beruflichen Laufbahn die Anzahl seiner Vertretungen nach und nach abbaut und somit zuletzt nur noch für einen vertretenen Unternehmer weit überwiegend tätig ist.

Auch alle Umstände, die zu einem plötzlichen Verlust von Einnahmequellen führen - wie etwa Kündigungen und Insolvenzen einzelner vertretener Hersteller, sind vom Handelsvertreter immer vor dem Hintergrund einer möglicherweise eingetretenen Versicherungspflicht zu würdigen. Hier muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob sich neue Einnahmequellen im erforderlichen Zeitrahmen erschließen lassen oder ob ein Befreiungsantrag gestellt werden kann.

Befreiungsmöglichkeiten nutzen

In jeder der oben angesprochenen Konstellationen ist zu prüfen, ob eine der vorhandenen Befreiungsmöglichkeiten von der sog. Rentenversicherungspflicht für Selbständige mit einem Auftraggeber von den Betroffenen genutzt werden kann, um sich von der Rentenversicherungspflicht und damit auch von der Beitragspflicht befreien zu lassen. 

Nutzen Sie daher das Know-how der CDH ... und das möglichst bevor der eine oder andere Antrag bei der Rentenversicherung selbst gestellt wird und Sie von einer Rentenversicherungspflicht möglicherweise kalt erwischt werden.

Das Wichtigste in Kürze:

- Bei der Versicherungspflicht für Selbständige mit einem Auftraggeber handelt es sich um eine Versicherungspflicht kraft Gesetzes, die unmittelbar mit dem Vorliegen der beiden Kriterien eintritt.

- Keinen versicherungspflichtigen Beschäftigten und die überwiegende Tätigkeit für einen Auftraggeber machen den Selbständigen zum Versicherungspflichtigen.

- Zwang zur Größe, d. h. mehrere Einnahmequellen, ohne dass eine weit überwiegt oder die Einstellung von Mitarbeitern, verhindern, neben zahlreichen Befreiungsmöglichkeiten, die genutzt werden können, das Eintreten einer Versicherungspflicht.