18.11.2022 | KurzMeldungen Nordost

Verkehrsrechtstelegramm

1. Anscheinsbeweis bei typischem Auffahrunfall
2. Verletzung der Beförderungspflicht durch Taxifahrer

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1. Anscheinsbeweis bei typischem Auffahrunfall

Bei einem Auffahrunfall spricht zunächst der erste Anschein dafür, dass der/die Auffahrende den Unfall schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, unaufmerksam war oder mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist. Dieser kommt nur dann nicht zur Anwendung, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen.

Das „Kerngeschehen“ – in diesem Fall der Auffahrunfall – reicht als solches allerdings als Grundlage eines Anscheinsbeweises nach einem Urteil des LG München II vom 1. April 2021 Aktz. 1 O 4787/13 – dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass der/diejenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen/deren Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat.

Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben.

Steht allerdings nicht fest, ob über das – für sich gesehen typische – Kerngeschehen hinaus Umstände vorliegen, die, sollten sie gegeben sein, der Annahme der Typizität des Geschehens entgegenstünden, so steht der Anwendung des Anscheinsbeweises nichts entgegen.

Der Anscheinsbeweis kann z. B. dann entkräftet sein, wenn der/die Auffahrende den vollen Beweis erbringt, dass er/sie aufgefahren ist, weil der Anhalteweg des/der Vorausfahrenden durch eine Kollision erheblich verkürzt ist oder weil der/die Vorausfahrende einen Spur- und Fahrstreifenwechsel unternommen hat.

Von einem untypischen Sachverhalt, der die Anscheinsbeweislage entfallen lässt, war im vom LG München II entschiedenen Sachverhalt allerdings nicht auszugehen, auch wenn die von der Klägerseite vorgetragenen Fahrauffälligkeiten des Unfallgegners zugrunde gelegt wurden.

 

2. Verletzung der Beförderungspflicht durch Taxifahrer

Das Amtsgericht Hamburg hat in einem Urteil vom 18.08.2021 entschieden, dass ein Taxifahrer gegen seine Beförderungspflicht verstößt, wenn er die Beförderung eines Fahrgastes ablehnt, weil ihm die angetragene Fahrt wegen der Nähe des Fahrziels nicht lukrativ genug erscheint. Gegen diesen Taxifahrer hat das Gericht wegen vorsätzlicher Verletzung der Beförderungspflicht eine Geldbuße festgesetzt.
Der verurteilte Taxifahrer hatte die Beförderung einer Familie vom Hamburger Flughafen abgelehnt, da ihm die Strecke zu kurz war. Später berief er sich zwar darauf, das Gepäck der Familie nicht in sein Taxi bekommen zu haben. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme war das Amtsgericht Hamburg jedoch davon überzeugt, dass der Taxifahrer die Beförderung alleine aufgrund des Umstandes abgelehnt hatte, weil ihm die Fahrt wegen der zu kurzen Strecke nicht lukrativ erschien. Ohne ernsthaft einen Beladungsversuch vorgenommen zu haben, könne er sich ohnehin nicht darauf berufen, das Gepäck nicht transportieren zu können (Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 18.08.2021, Az.: 232 OWi 56/21).

 

Weitere Verkehrsrechtsnachrichten folgen in den nächsten Ausgaben unserer KurzMeldungen.

Rechtsanwalt Philipp Krupke
krupke(at)cdhimnorden.de